
Die Nachricht, dass die traditionsreichen Werften Flensburger Schiffbau-Gesellschaft (FSG) in Flensburg und Nobiskrug in Rendsburg Insolvenz angemeldet haben, schlägt in der maritimen Welt hohe Wellen.
Beide Betriebe, die im Besitz des Investors Lars Windhorst stehen, haben ihre Anträge bei den zuständigen Amtsgerichten eingereicht – in Flensburg für die FSG und in Neumünster für Nobiskrug. Erste vorläufige Insolvenzverwalter wurden bereits eingesetzt, doch die Zukunft dieser beiden traditionsreichen Namen der deutschen Schiffbauindustrie ist momentan ungewiss.
Für die Belegschaft, die über Jahrzehnte hinweg das Rückgrat der Werften bildete, ist dies eine Zeit großer Unsicherheit und Sorge.
Tradition trifft auf Krise
Die Flensburger Schiffbau-Gesellschaft kann auf eine mehr als 150-jährige Geschichte zurückblicken.
Sie hat sich insbesondere durch die Konstruktion hochkomplexer Spezialschiffe wie RoRo-Frachter, Fähren und Marineschiffe einen Namen gemacht. Die Werft Nobiskrug hingegen ist bekannt für die Fertigung luxuriöser Superyachten, die auf den Weltmeeren als Symbole von Reichtum und Prestige gelten.
Beide Marken stehen damit nicht nur für industrielle Produktion, sondern auch für technologische Kompetenz und eine gewisse emotionale Bindung an das maritime Erbe Norddeutschlands.
Dass nun beide Betriebe fast zeitgleich in eine Insolvenz geraten, verdeutlicht die tiefen Verwerfungen, mit denen die gesamte Schifffahrtsbranche konfrontiert ist. Besonders die Corona-Pandemie hat in den vergangenen Jahren tiefe Spuren hinterlassen.
Lieferketten wurden unterbrochen, Aufträge storniert oder verschoben, und gleichzeitig explodierten die Kosten für Rohstoffe und Energie. Hinzu kommt eine globale Konkurrenz, die mit günstigeren Produktionsbedingungen, insbesondere in Asien, immer stärker Druck auf europäische Werften ausübt.
Die Lage für die Beschäftigten
Für die Belegschaften in Flensburg und Rendsburg bedeutet die Insolvenz zunächst vor allem Unsicherheit. Bereits in den Tagen vor den Insolvenzanträgen mussten einige Mitarbeiter verspätete Gehaltszahlungen hinnehmen.
Das Vertrauen in die wirtschaftliche Stabilität der Unternehmen wurde dadurch weiter erschüttert. Ob Arbeitsplätze langfristig gesichert werden können oder ob es zu Entlassungen kommt, hängt nun maßgeblich davon ab, ob Investoren gefunden werden oder Sanierungspläne greifen.
Die Gewerkschaften betonen, dass es nicht allein um Zahlen und Bilanzen geht, sondern um das Schicksal von hunderten Familien, die direkt oder indirekt von den Arbeitsplätzen bei FSG und Nobiskrug abhängen.
Viele der Beschäftigten sind seit Jahrzehnten auf den Werften tätig, manche bereits in zweiter oder dritter Generation. Die Werften sind tief mit der Identität ihrer Städte verwurzelt – ihr Niedergang würde auch eine ganze Region hart treffen.
Externe Belastungen und interne Probleme
Die Insolvenz der beiden Werften ist nicht ausschließlich auf die Pandemie zurückzuführen, auch wenn diese als Katalysator gewirkt hat. Schon zuvor gab es Herausforderungen: massive Kostendruck, ein verschärfter internationaler Wettbewerb und ein schwankender Markt für Spezialschiffe und Luxusjachten.
Während im Segment der Superyachten zwar hohe Gewinnmargen locken, ist der Markt klein und stark abhängig von globalen Konjunkturen und dem Luxusbedürfnis einer kleinen Kundenschicht. Der Bereich der Fracht- und Spezialschiffe wiederum leidet unter Preiskonkurrenz aus Südkorea, China und zunehmend auch der Türkei.
Hinzu kommen hausgemachte Probleme: Projekte, die teurer wurden als geplant, Schwierigkeiten bei der Finanzierung und immer wieder Verzögerungen. Solche Faktoren untergraben das Vertrauen von Auftraggebern und Investoren.
Der Eigentümer Lars Windhorst hatte zwar in den vergangenen Jahren mehrfach Kapital nachgeschossen, doch offensichtlich war dies nicht ausreichend, um die strukturellen Probleme nachhaltig zu lösen.
Die Rolle von Lars Windhorst
Der Investor Lars Windhorst ist in Deutschland kein Unbekannter. Bereits in jungen Jahren galt er als „Wunderkind“ der Finanzwelt, doch seine unternehmerische Karriere ist von Höhen und Tiefen geprägt.
Mit der Übernahme der beiden Werften verband sich die Hoffnung, dass er durch neue Finanzierungen und eine langfristige Strategie die Traditionsbetriebe stabilisieren könnte. Doch die Realität sieht anders aus: Trotz der Investitionen blieb die Lage angespannt, und schließlich war der Schritt in die Insolvenz unvermeidlich.
Die deutsche Schiffbauindustrie im Wandel
Der Fall von FSG und Nobiskrug wirft ein Schlaglicht auf die gesamte deutsche Schiffbauindustrie. Einst ein Aushängeschild des Industriestandorts Deutschland, kämpfen viele Werften heute ums Überleben. Während die Nachfrage nach umweltfreundlicheren Schiffen zunimmt, können europäische Hersteller oft nicht mit den Preisen asiatischer Konkurrenten mithalten.
Gleichzeitig erfordert der Wandel zu nachhaltigen Antrieben wie LNG, Hybridlösungen oder sogar Wasserstoff enorme Investitionen in Forschung und Entwicklung.
Deutschland verfügt zwar über technologische Exzellenz und hochqualifizierte Ingenieure, doch ohne politische Unterstützung und eine klare industriepolitische Strategie droht der Schiffbau hierzulande weiter an Bedeutung zu verlieren.
Experten sehen in der Insolvenz von FSG und Nobiskrug ein Alarmsignal, das zeigt, wie dringend Maßnahmen ergriffen werden müssen, um den Standort zu sichern.
Globale Konkurrenz und Zukunftsaussichten
Die weltweite Schifffahrtsbranche steht an einem Wendepunkt. Themen wie Klimaschutz, steigende Energiepreise und die Digitalisierung prägen die Agenda. Werften, die es schaffen, innovative und nachhaltige Lösungen zu entwickeln, könnten gestärkt aus dieser Transformation hervorgehen.
Doch dafür braucht es Investitionen, Zeit und stabile Rahmenbedingungen. Für FSG und Nobiskrug ist die Frage nun, ob sie im Rahmen der Insolvenzverfahren restrukturiert werden können oder ob es zu Zerschlagungen kommt.
Ein möglicher Hoffnungsschimmer könnte die steigende Nachfrage nach grünen Schiffen sein. Reedereien weltweit suchen nach Lösungen, um ihre Flotten klimafreundlicher zu gestalten. Technologien wie alternative Treibstoffe, elektrifizierte Antriebe oder innovative Rumpfkonstruktionen bieten Chancen für Werften, die über entsprechendes Know-how verfügen.
Ob FSG und Nobiskrug diese Transformation noch aktiv mitgestalten können, hängt jedoch von den kommenden Monaten ab.
Fazit: Ein ungewisser Kurs für zwei Traditionswerften
Die Insolvenzanträge der Flensburger Schiffbau-Gesellschaft und von Nobiskrug markieren einen tiefen Einschnitt in die Geschichte des deutschen Schiffbaus. Sie zeigen, wie stark externe Krisen, globaler Wettbewerb und interne Herausforderungen selbst traditionsreiche Unternehmen unter Druck setzen können.
Für die Mitarbeiter, die Städte Flensburg und Rendsburg und die gesamte deutsche Schiffbauindustrie bedeutet dies eine Phase der Unsicherheit – aber auch eine Chance für Neubeginn und Transformation.
Ob die beiden Werften diese Krise überstehen und gestärkt daraus hervorgehen können, wird sich in den kommenden Monaten entscheiden. Klar ist jedoch: Ohne strukturelle Veränderungen, Investitionen in Nachhaltigkeit und Unterstützung von Politik und Investoren wird es schwer, den Standort Deutschland langfristig als Player im internationalen Schiffbau zu behaupten.